Bitten jener Zeit.
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nur abgebrannt und ausgeplündert, sondern von manchen war jede Spur ganz verschwunden. Es gab Gegenden, wo meilenweit kein Haus, kein Mensch zu sehen war. Von vielen Familien waren alle Glieder ausgestorben; der Vermögenszustand war bei den Menschen ganz zerrüttet und — was das Schlimmste war — die Sittlichkeit war äußerst verdorben worden. In der Entwickelung des Anbaues und der Gewerbe, in Handel und Verkehr ist Deutschland in Folge dieses furchtbaren Krieges sehr lange Zeit hinter andern Nationen zurückgeblieben.
Oft hört man die gute alte Zeit rühmen, und über unsere so verdorbene Zeit klagen. Daran thut man Unrecht, und mit rührender Freude lernt man ans der Geschichte, daß die Menschheit mehr im Fortschreiten begriffen ist. Auch der Luxus war in früheren Zeiten oft noch ärger als in den unsrigen, nur daß er jetzt mit bessern: Geschmack verbunden ist. Einige Beispiele werden dies beweisen.
In einer Kleiderordnung aus Regensburg aus dem Jahre 1485 heißt es: „Die Mannspersonen sollen nicht längere Spitzen an den Schuhen tragen, als zwei Fingersglieder lang." Dann kommen auch die ausgeschnittenen Koller und Halstücher der Frauen vor, die sie in kurzer Zeit „ganz über alle Maßen ausgebracht hätten," und wird ihnen das Ausschneiden vorn bis zwei Querfinger über dem Halsgrüblein und hinten vom Halsknöchlein vier Zoll herab untersagt. Töchter, so lange' sie nicht verheirathet find, dürfen gar keine Ringe tragen. Keine sollte über acht Röcke haben, gute und böse, und zu ihren geflügelten Röcken dürfen nur drei Paar Aermel, von Sammet, Damascat oder anderer Seide gehören. Ein Perlenrock, oder sammetne und gestickte Mäntel oder Koller mußten versteuert werden, und doch durste keine sie auf dem Gebiete der Stadt tragen.
Aber auch im 16.. und 17. Jahrhunderte wurde mit Kleidern viel Unsinn getrieben. „Der Kleidung und des Geschmucks," klagt ein Schriftsteller aus der Zeit Karls V.', „ist kein Maß, zu aller Leichtfertigkeit zugerichtet, daß man vor Fürwitz schier nicht mehr weiß, was man anthun, oder wie man reden, gehen oder einher-treten soll. Alle Tage steht ein neuer Fund aus." Nicht nur Frauen und Jungfrauen vorn Stande, sondern auch Bürgerfrauen trugen sich zu Anfange des 17. Jahrhunderts auf italienische und burgundische Art, mit lang entblößtem Halse, und die meisten vom Adel, wozu sich auch die Doctorfrouen rechneten, hatten sich die
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Peter der Große.
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Kaiser 1705 und machte seinem Sohne Joseph I. Platz. Dieser war einsichtsvoll und wohldenkend, und hätte gewiß für Deutschland mehr gethan, hätte ihn nicht der spanische Erbfolgekrieg so sehr beschäftigt. Er hat dessen Ende nicht erlebt; denn er starb schon 1711, erst 33 Jahre alt. Da er keine Söhne hatte, so folgte ihm sein Bruder Karl Vi., der jenem Kriege im Frieden von Rastatt 1714 ein Ende machte. Den Geist Josephs I. besaß er zwar nicht, aber er hat für seine Erbländer recht treu gesorgt und den durch die vielen Kriege zerrütteten Wohlstand wieder zu heben gesucht. Nur für Deutschland hat er so gut wie nichts gethan. Er hat bis 1740 regiert. Von seiner Tochter und Nachfolgerin, Maria Theresia, wird unten mehr die Rede sein.
105. Peters des Großen Jugendjahre und erste Regierungszeit.
Vor der glorreichen Regierung Peters des Großen war das russische Reich wenig zu den europäischen Ländern gerechnet worden. Kaum wußte man in Europa von dem Volke der Russen oder den Moskowitern; selten einmal hatte ein europäischer Fürst eine Gesandtschaft nach Kiew oder Moskau geschickt. Erst seit dem Einbruch der Türken in Europa hatte man hier angefangen, an eine Mitwirkung der Russen bei den Kämpfen gegen den Halbmond zu denken. In Sprache und Sitten, Kleidung und Lebensweise, in Staatsverwaltung und Religion hielten sich die Russen von den Culturzustäuden der europäischen Völker getrennt; nur im Kriegswesen war unter den letzten Vorgängern Peters eine Annäherung an europäische Einrichtungen versucht worden. Da trat in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts Czar Peter mit den großen Entschlüssen auf, die Macht Rußlands bis an das schwarze Meer und die Ostsee auszudehnen, den Anschluß seines Reiches an die europäischen Staaten einzuleiten und sein Volk der europäischen Bildung zugänglich zu machen. Wenn auch damit zunächst nur eine äußerliche Veränderung erreicht wurde und wenn auch die frühere Roheit nicht sogleich verschwand, so hat doch Czar Peter bewirkt, daß seit ihm die Russen unter die europäischen Völker eingetreten sind. Er verdient daher gleich Karl dem Großen, gleich Alfred von England einen Platz in der Reihe der culturbringenden Fürsten, deren sich die Vorsehung bedient, um den Grund zur Entwickelung und zum Emporsteigen ganzer Völker zu legen.
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Neueste Geschichte. 2. Periode. Griechenland.
An 7000 Familien wurden ausgerottet und 23 Tage lang sah man auf der Insel die Rauchsäulen von den brennenden Dörfern aufsteigen.
Solche Gräuelthaten erhöhten den verzweifelten Muth der Griechen, welche sich durch ihr Riesenunternehmen die lebhafteste Theilnahme der europäischen Völker erwarben. Ueberall bildeten sich Vereine von Philhellenen (Griechenfreunden), welche Geld und Streitkräfte zu sammeln bemüht waren, um dem tapfern Völkchen zu Hülfe zu kommen und wo möglich den barbarischen Osmanen ihr Besitzthum in Europa wieder zu entreißen. Eine begeisterte Schaar zog unter dem württembergischen General Normann, welcher jedoch bald dem Klima erlag, den Griechen zu Hülfe; der Genfer Eynard verschaffte aus eigenen und fremden Mitteln den muthigeu Freiheitskämpfern bedeutende Geldmittel, und der berühmte englische Dichter Byron, welcher durch seine poetischen Ergüsse die Begeisterung für Griechenland beleben half, ging selbst hin, in Griechenland zu kämpfen und zu sterben. (1824).
Unter Demetrius Apsilanti und Maurokordato hatten sich die Griechen, welche in Morea fast überall siegreich waren, eine republikanische Staatsform gegeben. Bis 1825 dauerte die Reihe ihrer glücklichen Kämpfe, da wandte sich das Glück gegen sie, indem der türkische Sultan unerwartete Hülse erhielt. Der Pascha von Aegypten, Mehemed Ali, hatte nach Vernichtung der wilden Mameluckenherrschaft einen Staat mit europäischen Einrichtungen und mit einer geordneten Kriegsmacht begründet. Ihn bewog der Sultan Mahmud, seinen Sohn Ibrahim mit einem Heer Aegypter und Araber zur Unterwerfung der Griechen nach Morea zu schicken. Wären die Griechen einig gewesen, so hätten sie vielleicht die Landung des fremden Heeres verhindern können; der Zwiespalt ihrer Führer aber kam ihren Feinden zu Statten, die Halbinsel Morea wurde größtenteils bezwungen, die festen Plätze zur Uebergabe genöthigt, der Peleponnes schrecklich verwüstet, und endlich rückte Ibrahim 1825 vor die Festung Missolunghi, welche am Eingänge des Meerbusens von Korinth liegt und schon seit längerer Zeit von einem Türkenheer vergeblich belagert worden war. Der ägyptische Führer schwor, sie müßte genommen werden, und sollte auch das ganze Heer darüber zu Grunde gehen. Mit bewunderungswürdiger Tapferkeit vertheidigten sich die Griechen. Unzählige Stürme wurden abgeschlagen und Hunderte von türkischen Leichen vor den Wällen begraben. Aber immer stärker wurde der
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Kanalisirungs- und Eisenbahnprojekte in Centralamerika. 289
1848 an Nordamerika abtrat, nicht den Aufschwung und die unberechenbare Bedeutung gewinnen können, hätte nicht die Habsucht ihm so rasch die Hunderttausende von goldgierigen Menschen zugeführt, welche mit ihren Culturbedürfnissen doch die Civilisation in ihrem Gefolge hatten.
Es gehört ein hartes und verzweifeltes Geschlecht dazu, um ein im ganzen steriles Land zu colouisiren und den Boden für den Samen der Cultur vorzubereiten und es mußte ein so starker Antrieb, als er in der Gier nach dem glänzenden Golde liegt, vorhanden sein, damit diese „Goldgräber" einer ungeheuern Entfernung und den Beschwerden und Gefahren einer langen Reise trotzten.
Die Geschichte führt eben gar oft auf seltsamen Bahnen das menschliche Geschlecht vorwärts, und was dem Kurzsichtigen als ein Hereinbrechen der Barbarei erscheint, ist nur eine rasche Befruchtung des Bodens, aus welchem die Pflanze der Civilisation emporschießt. Von diesem Gesichtspunkt aus ist auch die Vergrößerung des nordamerikanischen Staats aufzufassen; er erfüllt damit nur eine weltgeschichtliche, eine civilisatorische Mission. Während die übrigen Freistaaten Amerika's der Schauplatz sich wiederholender Revolutionen und bürgerlicher Kämpfe, oder erbitterter Kriege gegen einander sind; während die Bevölkerung immer mehr degenerirt und in Faulheit, Unwissenheit und Nichtsnutzigkeit versunken, auf dem gesegnetsten Boden der Erde immer mehr verarmt, bringt der Nordamerikaner, wohin er vordringt, Gewerbfleiß, Kenntnisse, Ordnung der staatlichen Verhältnisse und den Segen bürgerlicher und individueller Freiheit. Man kann daher die Vergrößerung des nordamerikanischen Freistaats nicht als ein Uebel bezeichnen; die fremden Länder werden nicht in Besitz genommen aus Ehrgeiz, nicht um sie auszubeuten, sondern um sie der Cultur zu eröffnen. So war es auch eine Folge des Besitzes von Calisornien, daß Nordamerika eine Verkürzung des Weges dahin und die Herstellung einer leichteren Verbindung suchen mußte. Das Bedürfniß von Land- oder Wasserstraßen zwischen dem atlantischen und dem stillen Ocean war ein allgemeines, und es tauchten mehrere Projecte auf, im Gebiete von Mittelarnerika (Isthmus von Tehuantepec, Nicaraguasee, Landenge von Panama u. a.) eine solche Verbindung durch einen Kanal oder eine Eisenbahn zu ermöglichen. Aber diese Projecte scheiterten oder blieben liegen, theils wegen der Schwierigkeiten der Ausführung, theils wohl auch durch die Ueberzeugung, daß ein Verbindungsweg zwischen den Oceanen nur im Schutze eines durch
Weltgeschichte für Töchter. Iv. 16. Aufl. 19
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196 Neueste Geschichte. 2. Periode. Rußland und Italien.
worden war, verbreitete sich immer weiter und brach der Umwälzung, welche bald darauf von Frankreich her über Deutschland hereinbrach, die Bahn. Die Männer der Opposition des Vereinigten Landtages wollten nur Reformen erzwingen, nicht eine Revolution herbeiführen; in einem nicht kleinen Theile des Volkes aber hatten sich maßlose Ideen über staatliche Dinge, auch wohl socialistische Theorien festgesetzt, und so traten in der Stunde der Entscheidung ganz andere Pläne hervor, als jene liberalen Männer des Mittelstandes geahnt halten. Den Anhängern dieser Aufregung kam es zu statten, daß in jenen Jahren theils durch Mißernte und durch den in Schlesien ausgebrochenen Hungertyphus, theils durch die Verarmung, welche die Weberbevölkernng und andere Gewerbtrei-bende mehr und mehr traf, eine Größe des Elends hervortrat-welche in Deutschland unerhört war, und durch alle Mittel der öffentlichen und Privatmildthätigkeit nicht gehoben werden konnte. Jene der Regierung überhaupt feindliche Partei hatte nun um so leichteres Spiel, den Haß und die Erbitterung der unteren Classen gegen die Regierung und die Staatseinrichtungen im Ganzen aufzureizen. — In Oestreich war dem Kaiser Franz I. im Jahre 1835 dessen Sohn als Ferdinand I. (1835—48) auf dem Thron gefolgt, die Regierungsgeschäfte aber führte der allvermögende Minister Fürst Metternich, welcher zugleich die Seele der Politik des Widerstandes gegen die Neuerungsbestrebungen in ganz Deutschland war. In der innern östreichischen Verwaltung geschah vieles, was zur Hebung der materiellen Wohlfahrt des Volks beitragen konnte; gutmüthige Leichtlebigkeit und behagliche Befriedigung im Genuße der äußeren Lebensgüter schienen nirgends so zu Hause zu sein, als in Oestreich, besonders in Wien. Hier blieb jeder Gedanke an politische Entwickelung fern, und jede Selbständigkeit und Eigenthümlichkeit der unter östreichischem Scepter vereinigten Nationen wurde streng unterdrückt. Nur Ungarn behielt seine eigene Verfassung.
In Rußland herrschte Nikolaus I. mit derselben Kraft und Energie, welche er gleich bei seiner Thronbesteigung gezeigt hatte. Um im Innern des Landes eine möglichste Einförmigkeit und Uebereinstimmung herzustellen, welche er als Grundlage der Kraft ansah, war er bemüht, alle Stamm- und Religionsunterschiede zu verwischen und durchweg russische Sitte und griechischen Glauben einzuführen, bei der größtmöglichsten Abschließung Rußlands gegen alle Berührung mit der Civilisation der Nachbarstaaten aber doch
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Gregor Xvi. Pius Ix.
197
die Keime äußerer Wohlfahrt und einer gewissen äußern Cultur auf alle Weise zu pflegen, und Gewerbfleiß und Fabrikation nach Möglichkeit zu fördern. Die große Macht, über welche der Czar mit völliger Unumschränktheit gebot, wendete er aber vorzugsweise zur Erweiterung des Einflusses nach außen an, wozu andererseits die ausgezeichnete diplomatische Kunst des russischen Hofes das ihrige beitrug. So war durch den Tractat von Ttnkiar Skelessi (1833) die Türkei eng mit dem russischen Interesse verknüpft worden. Die Donaufürsteuthümer Moldau und Walachei waren zinspflichtige Fürstenthümer unter Hospodaren geworden, deren Wahl ganz unter russischem Einfluß stand. Die Perser wurden von den Russen mit Glück bekriegt und zwei ihrer Provinzen zum russischen Reiche geschlagen, wogegen mit dem durch englischen Einfluß aufgeregten Bergvolke der Tscherkessen der Kampf mit wechselndem Glück geführt ward.
In Italien war am 1. Juni 1846 der alte, schwache Gregor Xvi. gestorben, und an seine Stelle wurde unter französischem Einfluß der Cardinal Mastai Ferretti gewählt, welcher den Namen Pius Ix. annahm. Nach eigner Neigung und auf den Rath der französischen Regierung, besonders des Gesandten Grafen Rossi, betrat der neue Papst die Bahn der Reform in der Verwaltung. Er führte mannigfache Ersparnisse ein, gab der Presse mehr freien Spielraum, genehmigte den Bau von Eisenbahnen, eröffnete den bis dahin von allen höheren Aemtern ausgeschlossenen Laien den Zugang zu denselben, berief Männer des öffentlichen Vertrauens in seinen Rath, gab der Stadt Rom eine freie Mnni-cipalverfassung und erweckte so^ar Hoffnungen zur Herbeiführung eines italienischen Staatenbundes. Natürlich erweckten diese Neuerungen den größten Enthusiasmus, durch ganz Italien erscholl der Jubelruf: »Evviva Pio nono!« und das Volk gab sich zuerst ohne Rückhalt der Leitung des gefeierten Kirchenfürsten hin; nur die alte Regierungspartei, gestützt auf den Einfluß Oestreichs, hielt mit ihren Bedenken und ihrem Widerspruch gegen das kühne Beginnen des Papstes nicht zurück. Derselbe umgab sich jedoch vertrauensvoll mit einer neu berufenen Bürgerwehr und ahnte fo wenig, wie seine zahlreichen Bewunderer in ganz Europa, bis zu. welchem Abgrunde ihn der Freiheitstaumel des seit langen Jahren zum ersten Mal entfesselten Volks führen würde.
Aber es währte nicht lange, da stiegen schon Wolken an dem Horizont der neu gewährten Freiheit auf. Der Papst hatte von
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Extrahierte Ortsnamen: Donaufürsteuthümer_Moldau Italien Rom Italien Europa
Napoleons Rückkehr nach Frankreich.
207
Derselbe unterdrückte den Aufstand, bestrafte die Anführer mit Deportation in die fernen Colonien und erklärte, um die Ordnung erst dauernd zu befestigen, Paris in den Belagerungszustand. Nun erst konnte die Nationalversammlung ihre Berathungen über die künftige Verfassung mit Ruhe fortsetzen.
In ganz Frankreich waren unter dem Einfluß der provisorischen Regierung, besonders durch. Ledru - Rollin, die wüthendsten Republikaner zu den wichtigsten Stellen in der Verwaltung ernannt worden, und zugleich hatte die Regierung durch Aufrufe an das Landvolk die demokratische Gesinnung zu verbreiten gesucht. Jetzt wurden Männer, wie Ledru-Rollin aus der Regierung entfernt, und eben so suchte man in allen Theilen Frankreichs die Verwaltung von jenen eingedrungenen Mitgliedern der Umsturzpartei wieder zu 'säubern, was freilich sehr schwer und nur theilweise gelang.
Die Nationalversammlung hatte inzwischen die republikanische Verfassung für Frankreich festgestellt. An die Spitze der Republik sollte ein auf vier Jahre zu wählender Präsident gesetzt werden, und sehr gern hätte die Versammlung, so wie der gemäßigt-repu-blikanisch gesinnte Theil des Landes dem General Cavaignac, welcher mit fester Hand die Zügel der Regierung in Händen hielt, die Fortdauer der Gewalt gesichert. Aber der Präsident mußte durch das Volk selbst in allgemeiner Abstimmung gewählt werden, und nun vereinigten sich die meisten Stimmen auf einen Mann, welchem bis dahin seine Herkunft mehr, als seine persönlichen Eigenschaften die allgemeine Aufmerksamkeit zugewandt hatte. Der Prinz Ludwig Napoleon war in Folge der Revolution nach Frankreich zurückgekehrt und hatte einen Sitz in der Nationalversammlung erhalten; seine erste Erscheinung machte keinen besonders günstigen Eindruck; man hielt ihn im allgemeinen für unbedeutend, wozu auch die Erinnerung an seine leichtsinnigen Unternehmen von Straßburg und Boulogne beitrug. Als es aber zur Präsidentenwahl kam, richteten diejenigen, welchen die Republik zuwider war, und welche von Cavaignacs Begeisterung für dieselbe und von seiner Klugheit eine Befestigung der republikanischen Einrichtungen fürchteten, ihren Blick auf den Prinzen Napoleon. Die Legitimsten und Orleanisten hielten sich nicht für mächtig genug, einem ihrer eigenen Führer die Mehrheit der Stimmen zu verschaffen; aber die Wahl des Prinzen Napoleon hofften sie durchsetzen zu können, weil der Name des Kaisers beim Landvolk noch immer sehr populär war, und nach
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Cavaignac Ludwig_Napoleon Ludwig Napoleon Cavaignacs Napoleon Napoleon
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National-Verein. Reform-Verein.
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nachdem ihr Sohn aus dem eben zu Warschau zusammengetretenen Congreß durch den Telegraphen an das Sterbebett der Mutter beschieden worden war.'
Ein seltenes nationales Fest vereinigte am 20. September 1862 den Kaiser, seine Familie und die Würdenträger des Reiches in Nowgorod. Es war die Feier des 1000jährigen Bestehens des russischen Reiches (Band Iii. Seite 268). Auch bei dieser Veranlassung wurde das Streben erkennbar, Rußland als das Haupt aller slavischen Nationalitäten darzustellen. (Panslavismus.)
Das Jahr 1866 setzte Rußland durch die Nachricht eines Attentats in Schrecken. Als der Kaiser am 16. April aus dem Sommerpalais trat, feuerte ein Unbekannter ein Pistol auf ihn ab. Da ihm aber ein in der Nähe weilender Bauer in den Arm gefallen war, verfehlte die Kugel ihren Lauf. Der Mörder, Kara-kosow, gehörte der Partei der Nihilisten an, einer auf Umsturz aller göttlichen und weltlichen Ordnung gerichteten Sekte. Der Retter des Kaisers, Kommissarow, ward in den Adelstand erhoben und durch Naüonal-Subscription reichlich ausgestattet.
b. Deutschland. Während des italienischen Krieges bot Deutschland das Bild äußerer Schwäche und innerer Zerfahrenheit dar. Daß die Bundesverfassung, wie sie vorhanden war, nicht fähig sei, solchen Zuständen abzuhelfen, daß sie mithin unhaltbar sei, dies wurde nicht nur im Volke, sondern auch von den Regierungen anerkannt. Es tauchten mehrere Projecte zur Umgestaltung des Bundes auf: das sächsische Reformproject 1861, die preußischen Vorschläge eines engeren Bundesstaates im Staatenbunde, 1862 das Delegirtenproject der mit Oestreich einverstandenen Mittel-staaten. Keiner dieser Pläne fand allgemeine Zustimmung; der Gegensatz zwischen Preußen und Oestreich wirkte überall hemmend. Man erkannte, daß Deutschland bei diesem Zwiespalt der beiden deutschen Großmächte ohnmächtig sei. Dies veranlaßte eine doppelte Bewegung, von dem Volke und von den Regierungen ausgehend. Jene trieb zur Bildung großer, sich über ganz Deutschland ausbreitender Vereine, von welchen der eine, „der National-Verein", eine ziemlich einflußreiche Stellung in der nationalen Bewegung des deutschen Volkes zu gewinnen wußte; der andere, der „Reform-Verein", ziemlich ohne Bedeutung blieb. Jener drang auf den Anschluß der Mittel- und Kleinstaaten an Preußen, welches mit einem ihm zur Seite stehenden deutschen Parlament die Führung Deutschlands übernehmen sollte. Der Reform-Verein
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Extrahierte Personennamen: Oestreich
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1866 bis 1870. Die Türkei. Der Suezkanal.
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offenkundig liehen die Griechen den Candioten ihre Unterstützung. Zwei Jahre vergingen unter zuweilen sehr blutigen Kämpfen, die doch keine rechte Entscheidung herbeiführten, und die Gereiztheit zwischen Griechenland und der Türkei war nahe daran, in einen Krieg auszubrechen. Schon wurde ein Corps türkischen Truppen unter Omer Pascha in Thessalien zusammengezogen. Da trat eine Conferenz der Großmächte in Paris zusammen und ordnete diese Angelegenheit, Februar 1869. Griechenland mußte seine Pläne aufgeben; Candia verblieb in türkischem Besitz, der Aufstand erlosch. Die Vermählung des Königes, Georg I., mit der russischen Großfürstin Olga, October 1867, nährte die Hoffnungen derjenigen Griechen, welche eine Erneuerung des byzantinischen Reiches wünschten und für möglich hielten. Mit solchen hochfliegenden Gedanken contrastirte auch unter Georg I. gar häufig die Wirklichkeit in Griechenland mit ihrer Finanznoth und der durch das Räuberunwesen erzeugten Unsicherheit im Lande. Serbien verlor seinen Fürsten Michael Obrenowitsch. Drei Mörder hatten ihn und seine Begleitung in seinem Parke bei Belgrad überfallen; der Fürst und eine Verwandte von ihm wurden getödtet, mehrere Personen verwundet. Rasch berief die Regierung den dreizehnjährigen Neffen des Ermordeten, Milan Obrenowitsch, aus Paris, wo er zu seiner Ausbildung sich befand, zur Nachfolge. Bis zu seiner Volljährigkeit wurde eine Regentschaft eingesetzt. Die Einführung besserer Culturzustände fand in Serbien wirksameren Eingang, als in Rumänien , wo der unaufhörliche Unfriede der Parteien, der dünkelvolle Widerstand der Bojaren und die Roheit des Volkes den wohlwollenden Absichten und der Thätigkeit des Fürsten Karl I. schwere Hindernisse entgegensetzten. Hier, wie in der Türkei und auch noch in Griechenland, erneuerte sich die alte Wahrheit, daß die Übertragung fremder Cultureinrichtungen in ein Volksleben nur da gedeihlich wirkt, wo das Fremde gleich eingepflanzten Keimen lebensvoll, wenn auch im Anfange nur unvollkommen, sich entwickeln kann. Aufgedrungene oder doch importirte Institutionen, welche über dem Volksleben unvermittelt schweben, begünstigen gar leicht geistige und leibliche Trägheit, oder sie entfesseln die Streitsucht und die Verwirrung.
Glänzende Festlichkeiten in der Türkei und in Aegypten erregten im Herbst 1869 die Theilnahme Europas. Es war die Feier der Eröffnung des Suezkanals. Wir haben bereits in Abschnitt 147 (S. 286) dieses großartige Werk erwähnt, dessen Förde-
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Neueste Geschichte. 3. Periode.
Culturmoment, denn die Börse ist der Ausdruck und Gradmesser jener Wechselbeziehungen. Ihre Notiruugen bezeichnen die Abweichungen von der correcten Linie derselben und nöthigen durch das so dringende Motiv des Eigennutzes, jede falsche, d. H. der allgemeinen Sicherheit und Ordnung zuwiderlaufende Bahn zu verlassen.
Es mag auf den ersten Anblick für manchen niederschlagend sein, den Eigennutz als Regulator des geschichtlichen Lebens zu erblicken, zumal wenn er sieht, wie selbst der Geist in den staunenerregendsten Erfindungen, namentlich der Chemie und Physik, zunächst dem Industrialismus dient; aber man muß bedenken, daß die Zeitströmungen wechseln; daß viele nur auf.ben materiellen Lebensgenuß hingewendete Zeitrichtungen, welche freilich in erschreckender, verderblicher Weise ganze Nationen ergriffen haben, an ihrer eignen Leerheit zu Grunde gehen müssen; daß aber die Ideen des Großen, Schönen und Guten ewig bleiben, wie die Gottheit, als deren Offenbarungen sie der Menschenseele eingepflanzt sind.
Aber diese Ideen, sollen sie segenbringend sich über den Erdball ausdehnen, müssen eine der Cultur geöffnete Stätte finden, sie haben zu ihrer Voraussetzung — friedlich geordnete Zustände, in welchen die humane Gesinnung dauernde Wurzel fassen kann.
Für jetzt waren die Hoffnungen auf eine lange Epoche des Friedens und ruhiger Entwickelung zu vorzeitig gefaßt. Die Aufgabe der politischen Umgestaltung Italiens und Deutschlands harrte ungeduldig aus ihre Lösung; das Drängen dieser beiden großen, in ihrer staatlichen Verfassung unbefriedigten Völker stand wie eine ruhelose Drohung an den Pforten des europäischen Friedens. Wir werden in den nächsten Abschnitten zu erzählen haben, welche gewaltigen Kriege durch die Befriedigung dieser beiden Probleme herbeigeführt wurden.
Schon auf dem Pariser Kongreß war die italienische Frage angeregt worden; ein Neujahrswort des Kaisers Louis Napoleon reichte hin, den längst lauernden Krieg zu entfesseln.
150. Der italienische Krieg.
Der orientalische Krieg hatte dem französischen Kaiser eine Stellung gegeben, welche ihn befähigte, bestimmend in die Geschicke Europas einzugreifen; die politische Initiative lag in seiner Hand.
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Extrahierte Personennamen: Louis_Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Italiens Deutschlands Europas